Qualitätsmanagement

6.1 Kalibration

folgt in Kürze

6.2 Nachweis- (NG) und Bestimmungsgrenzen (BG)

Rhena Schumann

6.2.1 Freiheitsgrade

Die Anzahl von Freiheitsgraden hängt vor allem von der Anzahl der verfügbaren Informationen ab (A).

(A)    f = n-v-m                    f:    Freiheitsgrade
                                              n:    Anzahl der unabhängigen Beobachtungen (Messwerte)
                                              v:    Anzahl der unabhängigen Variablen (für Kalibrierungen 1)
                                             m:    Anzahl der in die Berechnung des Parameters noch
                                                      eingehenden Werte (z. B. für Mittelwert 1)

Die Freiheitsgrade geben diejenige Anzahl von Parametern eines Systems an, die verändert werden können, ohne dass sich der Parameter ändert. Zum Beispiel ist ein Mittelwert aus 3 Messwerten mit dem Freiheitsgrad 2 belegt, weil sich 2 Beobachtungen ändern können, ohne dass sich der Mittelwert ändert. Der Parameter ist der Gehalt des zu bestimmenden Bestandteils bzw. des Analyten.

6.2.2 Nachweis- und Bestimmungsgrenze

Die Nachweisgrenze (NG) ist derjenige kritische Gehalt des Analyten, der zwischen Leerwerten und Messwerten unterscheidet. Sie hängt von der Güte der Leerwerte bzw. der Kalibrierung (3 und 4) ab. Sie ist die Entscheidungsgrenze für das Vorhandensein des Analyten.

► Ein Analyt ist qualitativ nachgewiesen bzw. vorhanden, wenn er den kritischen Wert der Messgröße überschreitet, i.e. größer ist als die Summe des Leerwerts (3) und dessen Unsicherheit (mit dem Maß der Streuung).  
► Die NG dient der Bewertung einer durchgeführten Analyse.

Die Bestimmungsgrenze (BG) ist der Gehalt des Analyten, bei dem die relative Ergebnisunsicherheit einen vorgegebenen Wert annimmt. Die Ergebnisunsicherheit ergibt sich aus dem (zweiseitigen) Vorhersagebereich, dem Vertrauensniveau und dem zugehörigen Analytengehalt. Sie beschreibt die Leistungsfähigkeit des quantitativen Verfahrens.

► Ein Analyt ist quantifizierbar, wenn sein Gehalt mit einer relativen Ergebnisunsicherheit ermittelt werden kann, i.e. in dem der Messwert über der BG liegt. Die BG gibt damit eine Auskunft über die Durchführbarkeit quantitativer Analysen. 

NG und BG gelten niemals allgemein, sondern immer für ein bestimmtes Probenmaterial (Wasserprobe, Gestein), ein bestimmtes Analysenverfahren (Methode) und das festgelegte Vertrauensniveau.

6.2.3 Schnellschätzung der NG und BG aus Leerwerten und Kalibriergeraden

Die Leerprobe (auch Blindprobe, Blank) ist eine Probe, die den Analyten nicht enthält, sonst aber mit den Proben übereinstimmt. Da sie selten vorhanden ist oder streng genommen nicht hergestellt werden kann, benutzt man eine Probe mit dem geringst möglichen Gehalt an Analyten und einer probenähnlichen Matrix (Salinität, pH u. ä.).   
Der Leerwert (auch Blindwert) ist das arithmetische Mittel der Leerproben. Die Leerwertmethode ist die direkte Bestimmung der NG und BG. Die Anzahl der Messungen (Leerproben) bestimmt den Sicherheitsfaktor Φ und soll ≥ 10 sein.
Der Leerwert wird aus den Konzentrationen des Analyten (in µmol l-1) über eine Kalibrierfunktion ermittelt, ohne dass diese (selbst) in die NG und BG eingeht. Die NG ist ein Vielfaches der Verfahrensstandardabweichung (C, Leerwertmethode), wobei

Gleichung B  ist.

Gleichung C

Tab. 6.2-1 Faktoren für die Schätzung der Leerwertmethode

Näherungsweise ergibt sich die BG wie folgt aus der NG (D)

Gleichung D

Ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor bezieht eine Erhöhung der Standardunsicherheit durch Streuungen der Kalibriergeraden ein (E).

Gleichung E

Die Messwerte der Leerproben müssen normal und die Varianzen homogen verteilt sein. Die Leerwertmethode ist zu bevorzugen, wenn die o. g. Voraussetzungen (Leerproben gleicher Matrix, frei vom Analyten) erfüllt sind.

Die NG und BG können aber auch direkt aus der Kalibriergeraden abgeleitet werden, wenn es keine geeigneten Leerproben gibt.
Die Anzahl der Messwerte der Kalibriergeraden soll ebenfalls ≥ 10 sein. Das können am besten 10 verschiedene Konzentrationen (einer äquidistanten Verdünnungsreihe) sein, aber auch Replikate von weniger Verdünnungsstufen.

In geeigneten Programmen (nicht Excel, aber Origin) das 95 %-Konfidenzbanden und die Kalibiergeraden (hier Konzentration = x und Extinktion = y) einzeichnen (Abb. 6.2-1). Den Schnittpunkt der oberen 95 %-Bande mit der y-Achse parallel zur x-Achse bis zur Kalibiergeraden ziehen. Lot auf die x-Achse fällen. Schnittpunkt mit der x-Achse ist die NG (Abb. 6.2-2).

Abb. 6.2-1 + 6.2-2 Kalibriergerade

6.2.4 Kalibriergerade

► Kalibriert wird mit einem Analyten, der typischerweise dem Vorkommen der gesuchten Verbindung in den Proben gleich oder ähnlich ist. Dabei muss dessen Löslichkeit (in der passenden Matrix und unter den gegebenen Bedingungen) berücksichtigt werden.
► Eine sehr gute Gerade erhält man, wenn aus einer Stammlösung mit der höchsten zu messenden Konzentration (obere Grenze des Messbereichs) in geometrischer Verdünnungsreihe die niedrigeren Konzentrationen hergestellt werden. Eine geometrische Verdünnungsreihe entsteht durch die wiederholte Mischung gleich großer Volumina (1+1, aus der verdünnten Lösung wieder 1+1 usw. Abb. 6.2-3).

Abb. 6.2-3 Schema einer geometrischen Verdünnungsreihe

Üblich sind jedoch äquidistante Verdünnungsreihen in der chemischen Analytik (Abb. 6.2-4). Die obere Messbereichsgrenze soll die höchste wahrscheinlich zu messende Konzentration etwas überschreiten, damit alle Messwerte durch Interpolation berechnet werden, i. e. im kalibrierten Bereich liegen. Die untere Messbereichsgrenze sollte in der Nähe der Leerwerte liegen.

Abb. 6.2-4 Schema einer äquidistanten Verdünnungsreihe

Pragmatisch geht man so vor:

► Das Volumen eines Kalibranten so festlegen, wie es für die Proben auch ist. Das heißt 25 ml für Phosphat und Nitrit. Die 17,5 ml für Ammonium sind unpraktisch. Deshalb 20 oder 25 ml für jeden Kalibranten herstellen. Dann muss entweder die Reagenzienmenge proportional erhöht werden oder das überschüssige Volumen jedes Kalibranten verworfen werden.
► Das Volumen eines Teils ist 1/10 davon, z. B. hier 2,5 ml.
► Zunächst das Reinstwasser einpipettieren. Die 25 ml Reinstwasser (10 Teile, 0 µmol l-1) und die 25 ml Analyt (10 Teile, 10 µmol l-1) können mit Messzylindern abgemessen werden.
► Danach in die übrigen 8 Gefäße die benötigten Teile einpipettieren. Keine Abkürzungen! Wirklich 9 x 2,5 ml pipettieren usw.
► Dann in umgekehrter Reihenfolge die Stammlösung hinzufügen. Gut schütteln!

Da die meisten Vorschriften eine Leerwertkorrektur enthalten (im Sinne von Reagenzienblindwert), werden von allen Messwerten der Kalibriergeraden die Leerwerte vor der graphischen Darstellung und Berechnung der Funktion abgezogen. Bei 10 Kalibranten soll das Bestimmtheitsmaß R2 > 0,995 sein.
Aus praktischen Erwägungen, i. e. damit die berechnete Funktion direkt zur Konzentrationsberechnung benutzt werden kann, wird die abhängige Größe (Extinktion) auf der x-Achse und die unabhängige (Konzentration) auf der y-Achse aufgetragen (Abb. 6.2-5 und 6.2-6). Dann ist der Anstieg ein Umrechnungsfaktor F von Extinktion in Konzentration.
Das absolute Glied der Geradengleichung wird üblicherweise nicht mit zur Konzentrationsberechnung benutzt. Es soll nahe Null sein und damit vernachlässigbar. Ist es systematisch > 0, gibt es keinen analytfreien Leerwert (i. e. S. Reinstwasser). Auch dann ist es logisch, den absoluten Term wegzulassen. Nur bei regelmäßig < 0 liegenden Schnittpunkten mit der Ordinate gibt es ein Problem mit zu hohen Unsicherheiten der Lage der Kalibriergeraden.

Diese Kalibrierung muss für jedes Gerät, für alle Probenmatrices (z. B. wässrige Lösungen verschiedener Salinität) und jede Reagenziencharge einmal erstellt und dokumentiert werden.

Abb. 6.2-5 + 6.2-6 Kalibriergerade

6.2.5 Qualitätsmanagement

Neben den für die Kalibrierung und die NG nötigen 10 Kalibriermess- und 10 Leerwerten müssen je Messtag mehrere Leerwerte zur Überwachung der Reagenzien, des Reinstwassers und der Sauberkeit der Gefäße gemessen werden. Je Messreihe (gleichzeitig mit Reagenzien versehene Proben) reicht 1 Leerwert aus. Alternativ (bei geringem Probendurchsatz) sollten 3 pro Messtag angesetzt werden. Wenn diese gering sind, werden sie in die Blindwert-Zielkarte eingetragen (Abb. 6.2-7).

Steigen die Leerwerte mit der Zeit deutlich, muss eine neue Charge Reagenzien ("Shelf Life" abgelaufen) angesetzt, evtl. auch die Reinheit des Reinstwassers überprüft werden. Empfindlich sind z. B. die Reagenzien der Ammonium- und Phosphatbestimmung. Länger gelagertes Reinstwassers speichert auch Ammonium aus der Atmosphäre.

Je Messreihe soll mindestens 1 geeigneter Standardwert zur Überprüfung der Funktion der Reagenzien und der Reaktionsbedingungen (z. B. Temperatur, Inkubationsdauer, aber auch zur Fehlersuche) eingegliedert werden: Küvettenlänge, Messwellenlänge, Null-Stellung des Photometers u.a.

Zur Darstellung der Standards ist eine Sollwert-Zielkarte das geeignete Instrument (Abb. 6.2-8). Dieser Standard besteht aus dem Analyten, in mittlerer Konzentration. Am besten geeignet sind Standards, die mit einem Zertifikat bezogen wurden (unabhängiger Nachweis des Analyten, sehr teuer) oder wenigstens nicht aus derselben Stammlösung wie die Kalibranten stammen. Wenn diese Nebenbedingungen eingehalten werden, überprüft der Standard auch die Richtigkeit der Messung.

Geeignete Standards enthalten mindestens den Analyten. Handelt es sich beim Nachweis auch um Aufschlüsse, Extraktionen o. ä., die aus einer Vielzahl von Verbindungen den Analyten erst freisetzen, soll unbedingt und mindestens ein weiterer Standard auch eine repräsentative aufzu-schließende Verbindung sein. Diese soll nicht direkt mit den Reagenzien reagieren.

Die Reproduzierbarkeit von Proben (= Präzision) kann in sogenannten Spannweiten-Zielkarten überwacht werden (Abb. 6.2-9). Eine Spannweite ist der Absolutwert der Differenz zweier Messwerte dividiert durch deren Mittelwert (Gleichung G).

Gleichung G

Bei 3 und mehr Replikaten kann man auch die Standardabweichung über den Mittelwert normieren.
Die Spannweiten werden dann in Prozent angegeben.
Diese Zielkarte wird besonders wichtig, wenn nicht jede Probe in Replikaten gemessen wird.

Abb. 6.2-7 + 6.2-8 + 6.2-9

Die Präzision der wiederholten Messung von Standards und/oder Proben wird Standardunsicherheit genannt. Die Präzision der Standards wird aus der Standardabweichung aller im Probenzeitraum gemessenen Standards normalisiert über deren Mittelwert berechnet (Gleichung H). Die Präzision der Messung von Proben wird aus den Spannweiten als Mittelwert berechnet (Gleichung I). Im Material- und Methodenteil wird (soweit gemessen) die (daraus) kombinierte Standardunsicherheit angegeben (Gleichung J).

Gleichungen H + I + J


Referenzen

DIN 32645 (2008) Chemische Analytik - Nachweis-, Erfassungs- und Bestimmungsgrenze unter Wiederholbedingungen - Begriffe, Verfahren, Auswertung. DOI: 10.31030/1465413

Wellmitz & Gluschke (2005) Leitlinie zur Methodenvalidierung. UBA-Bericht 01/05

For citation: Schumann R (year of download) Kapitel 6.2 Nachweis- (NG) und Bestimmungsgrenzen (BG) (Version 1.0) in Zimmer D, Baumann K, Berthold M, Schumann R: Handbuch zur Auswahl der Aufschluss- und Bestimmungsverfahren für Gesamtphosphor in Umweltproben. DOI: 10.12754/misc-2018-0001

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6.3 Blindwert-Zielkarten

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6.4 Sollwert-Zielkarten

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6.5 Spannweitenzielkarten

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6.6 Standards

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6.6.1 Zertifizierte Standards und Bezugsquellen

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6.6.2 selbst hergestellte Aschen und Trockenmassen

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6.6.3 gelöste P-Verbindungen

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6.6.4 Interne Standards

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6.7 Grundlagen für die Fehlereinschätzung

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6.8 Fehlerfortpflanzung (Gauß)

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Zuletzt aktualisiert am: 09.04.2025